Süsswasserperlen

Vieles, was wir aus dem Meer kennen, gibt es auch in Schweizer Seen: Algen und Muscheln zum Beispiel. Erst wenige Köche experimentieren damit. Wir haben zweien über die Schulter geblickt.

Es war ein Zufallsfund: Auf einem Stück Holz, das vom Fischerboot ins Wasser baumelte, entdeckte Manuel Vock eine Muschel. Sie war klein, gelbbraun und erinnerte der Form nach an eine Venusmuschel. Beim Einholen des Bootes war das Holzstück durch den sandigen Boden der Uferzone gezogen worden. Irgendwo dort, schloss Vock daraus, musste die Muschel hängengeblieben sein. Er holte Schnorchel und Badehose, tauchte ab, grub im Sandboden – und fand weitere Exemplare, die er im Zürichsee nie zuvor gesehen hatte.

Das Schalentier war dem Richtigen ins Netz gegangen: Vock ist Mitgründer des Zürcher Start-ups Umami. Das Kerngeschäft der Jungunternehmer sind Microgreens, Gemüse- und Kräuterkeimlinge, mit denen sie Küchenchefs beliefern. Das begehrte Grünzeug gedeiht in einem geschlossenen Wasserkreislauf, bei dem Fische und Pflanzen in Symbiose leben. Vock, im Start-up für Forschung und Entwicklung zuständig, hat die Anlage selbst konzipiert. Seine Recherche zur Zürichsee-Muschel ergab indes, dass es sich um die asiatische Körbchenmuschel handelt, eine nichtheimische und fortpflanzungsfreudige Art, von der jedes erwachsene Tier rund 8000 Larven pro Jahr absetzt. In Schweizer Gewässern war die Muschel in den Siebzigerjahren erstmals aufgetaucht, vermutlich eingeschleppt über den Rhein. Wenige Zentimeter tief eingegraben, lebt sie an sandigen Stellen in Ufernähe. Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob sie heimischen Arten schadet. Aber gute Gründe, ihr kulinarisches Potenzial auszuloten, findet Vock: «Die reproduktionsfreudige Art bietet eine echte Alternative zu Meeresmuscheln. Sie wächst direkt vor unseren Füssen, und das erst noch das ganze Jahr.»