«Manche Kinder fordern Strafen richtig ein»

Der israelische Psychologe Haim Omer sagt, erzieherische Stärke sei lernbar. Zu diesem Zweck hat er das Konzept der neuen Autorität entwickelt. Eltern können demnach ihre Kinder nicht kontrollieren, aber sie sollten beharrlich sein.

Herr Omer, haben es Eltern heute schwerer als die Generation vor ihnen?
Definitiv. Viel schwerer.

Warum?
Kinder und Jugendliche waren noch nie so vielen Versuchungen ausgesetzt wie heute. Angesichts der Fülle von Konsum- und Unterhaltungsangeboten, die auf sie einprasseln, scheint es für Eltern nahezu unmöglich zu sein, sie vor deren Risiken zu schützen. Kommt hinzu, dass wir in zunehmend individualisierten Gesellschaften leben. Die soziale Kontrolle durch Nachbarn oder die erweiterte Familie greift nicht mehr. Erziehung ist zur Angelegenheit der Kernfamilie geworden, oft lastet sie auf den Schultern einer Einzelperson. Zudem fehlt es Eltern in Erziehungsfragen an Orientierung.

Was meinen Sie damit?
Zu Zeiten unserer Grosseltern waren Mutter und Vater unantastbar. Sie entschieden, was richtig und was falsch war. Kinder zu erziehen hiess, ihnen Gehorsam beizubringen. Autoritäre Erziehung setzte vor allem auf Angst, häufig kam Gewalt hinzu. Ende der Siebzigerjahre begann das traditionelle Verständnis von Autorität zu bröckeln, mittlerweile hat es ausgedient.

Aber auch der antiautoritäre Ansatz, der darauf folgte, ist für die allermeisten Eltern keine Option mehr.
Richtig. Studien haben gezeigt, dass dieser Erziehungsstil zum Beispiel ein geringes Selbstwertgefühl und eine tiefe Frustrationstoleranz begünstigt. So haben wir die traditionelle Autorität zwar hinter uns gelassen, aber es ist offensichtlich keine gute Idee, Kinder ganz ohne Autorität grosszuziehen. Dieses Vakuum versucht meine Arbeit zu füllen.