«Macht euch die Hände schmutzig!»

Big Data gilt als Marketing der Zukunft. Zu Unrecht, sagt Martin Lindstrom, Marken-Guru. Er analysiert lieber Kinderschuhe und rettete so die Firma Lego.

Herr Lindstrom, Ihr neues Buch bricht mit dem Hype um Big Data. Computer könnten unser Wesen nicht entschlüsseln, sagen Sie.
Wir glauben, Computerdaten hätten die Antwort auf alles. Wir täuschen uns. Ich habe in den vergangenen Jahren 2000 Familien in 77 Ländern besucht. Ich kann Ihnen versichern: Big Data hilft selten dabei, unserem Verhalten auf die Schliche zu kommen. Warum nicht? Suchmaschinen sind in der Lage, erstaunliche Verbindungen zu machen: Eine Software kann anhand von Dateneingaben und der Anzahl Tippfehler mit siebzigprozentiger Treffsicherheit einschätzen, wie sich eine Person gerade fühlt. Solche Korrelationen sind interessant. Was jedoch die Gründe dahinter betrifft, tappen wir im Dunkeln. Ein guter Kontakt bei Google hat mir verraten, dass sein Arbeitgeber das Problem erkannt habe: Trotz ungeheurer Mengen an statistischen Daten hat das Unternehmen nur begrenzte Informationen über die wahren Motive der Verbraucher. Aus derselben Quelle weiss ich, dass Google deshalb neuerdings Berater engagiert, die sich auf dem gleichen Feld tummeln wie ich. Ihr Augenmerk gilt Small Data.

Was verstehen Sie darunter?
Es sind Beobachtungen, die wir nur machen können, wenn wir Menschen zu Hause besuchen: Welche Bilder hängen in der Wohnung, was finden wir im Kühlschrank? Wie bewahrt jemand seine Schuhe auf? Es sind kleine Hinweise, die von grosser Bedeutung sind.

Inwiefern?
Weil sie in der Summe offenbaren, was keine Software zu entschlüsseln vermag: das emotionale Ungleichgewicht, in dem wir uns befinden. Unternehmen engagieren mich, damit ich herausfinde, was Menschen wollen – damit sie Wege finden, uns damit zu versorgen. Wünsche sind schwer fassbar, aber sie resultieren immer aus einer Disbalance. Es geht um ein Bedürfnis, das gestillt werden will, um eine Sehnsucht, die bewusst oder unbewusst Eingang findet in unser Verhalten. Ich suche, wenn Sie so wollen, nach einer emotionalen Lücke.

Wie kommen Sie ihr auf die Spur?
Betrete ich eine Wohnung, sammle ich so viele Daten wie möglich. Ich mache Notizen, schiesse Fotos, nehme Videos auf. Ich achte auf Muster, Parallelen, Missverhältnisse und Übertreibungen. Ein winziges Detail kann ein Bedürfnis entlarven, dessen sich die Bewohner nicht einmal bewusst sind. Ich kann ihnen dazu ein prominentes Beispiel geben.