Sein Arbeitsethos, die Verbrüderung mit den USA und ein ausgezeichnetes Gespür für den Markt ebneten Japan den Weg an die Spitze. Jahrzehntelang brillierte es als wirtschaftliche Supermacht. Dann folgte der spektakuläre Fall. Seither kämpft das Land der aufgehenden Sonne gegen den Untergang.
«Kaum ein Volk der Welt ist so verkrampft wie die Japaner», schrieb das Nachrichtenmagazin «Spiegel» im Mai 1969, «deshalb wollen sie grösser und schneller sein als die übrige Welt, um jeden Preis.» Was sich wie Spott liest, ist tatsächlich Ausdruck von Ehrfurcht, folgten besagte Zeilen doch auf die Bekanntgabe hin, dass Japan die Bundesrepublik Deutschland als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt vom Sockel gestossen habe. «Heute kann Deutschland viel von Japan lernen – überholen wird es das fernöstliche Inselreich vermutlich nie wieder», lautet das Fazit der «Spiegel»-Analyse mit der Überschrift «Grausam, aber gut». Seinen Aufstieg zur zweitgrössten Wirtschaftsmacht nach den USA – eine Position, die Japan während über 40 Jahren verteidigte und 2009 an China verlor – schaffte das Land innerhalb weniger Jahrzehnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg startete es seinen Wiederaufbau bei null; stets überwacht von Besatzern, die einen grossen Kriegsaggressor kleinhalten wollten. So versuchten die US-Truppen, die Macht der Familienclans zu zerschlagen, und sie zwangen dem Kriegsverlierer eine neue Verfassung auf. Der strenge Kurs war nicht von Dauer, denn die weltpolitischen Ereignisse spielten Japan in die Hände. Als sich 1947 der Kalte Krieg am Horizont abzeichnete, wurde der Inselstaat zum Verbündeten der USA.
Die Verbrüderung trug auch wirtschaftlich Früchte: Im Korea-Krieg versorgte Japan die USA im Kampf gegen das von der Sowjetunion dominierte Nordkorea mit Gütern, allem voran mit Geländewagen zur Motorisierung der Truppen. Der Autobauer Mitsubishi punktete bei der US-Armee mit seinem «Pajero», einer 1:1-Kopie des US-Modells «Willys MB». Auch der wenig später lancierte «Patrol» von Nissan glich verdächtig dem Urvater aller Jeeps. Die Amerikaner schienen sich nicht daran zu stören, dass ihre neuen Verbündeten Autos aus der alten Heimat abkupferten. Sie kurbelten die japanische Autoindustrie weiter mit Milliardenaufträgen an. Dem Autobauer Toyota rettete das Kopf und Kragen. Sein «Land Cruiser» avancierte ab 1951 zum Kassenschlager. Als verkapptes Kriegsfahrzeug wurde der Geländewagen überall geschätzt, wo es Konflikte gab: in Asien und Lateinamerika, in Afrika und den arabischen Ländern.
Zur Nummer eins auf den Schlachtfeldern avancierte der Toyota «Hilux», lanciert 1968. Der «Hilux» ist leicht gebaut, günstig und pflügt sich mühelos durch Wüstensand, Schlamm und Unterholz. 2006 stellten die Macher der Autosendung «Top Gear» seine Robustheit auf die Probe: Sie liessen den Truck gegen einen Baum knallen und aus acht Metern auf den Boden krachen, versenkten ihn im Meer und zündeten ihn an. Der «Hilux» trotzte den Strapazen – und fuhr, wenn auch etwas ramponiert, weiter. So ist «das bevorzugte Fortbewegungsmittel aller Schurken», wie die «New York Times» den «Hilux» einst bezeichnete, bis heute im Einsatz, wo es knallt, hat unliebsame, aber durchschlagende Werbeträger wie etwa die Gotteskrieger des IS.